Zwei Künstler schaffen ein Meisterwerk — die Mira Calligraphiae Monumenta
Die beiden sind sich nie begegnet, der erste ist schon tot als der andere seine Arbeit beginnt — und doch erschaffen sie gemeinsam ein einmaliges Werk von barocker Pracht.
Gut 100 Jahre nach Erfindung des Buchdrucks waren gedruckte Bücher erschwinglich geworden, zur Freude des aufstrebenden Bürgertums. Gar nicht begeistert von dieser “Medienrevolution” waren viele Adlige: Sie hatten sich schon immer aufwändig geschriebene und ausgemalte Manuskripte leisten können — trotz deren enormer Preise. Und jetzt spürten sie, dass dieses Können für immer verschwinden würde.
Ein besonders fähiger Kalligraf (Schönschreiber) war Georg Bocskay, der Sekretär von Ferdinand I., dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Und der wollte den Kaiser mit seinen Schreibkünsten beeindrucken. Auf 130 Seiten versammelte er um 1562 die unterschiedlichsten Schriften — alles was er kannte und sicher auch manches für diesen Zweck Erfundenes. Das Ergebnis nannte er — nicht gerade bescheiden — “Wundervolle Denkmäler der Kalligrafie”, im damals üblichen Latein: Mira Calligraphiae Monumenta.
Aber das war erst der Anfang, denn von 1591 bis 1596, also mehr als 30 Jahre später — Bocskay und auch der Kaiser waren tot — nahm sich ein ausgewiesener Künstler dieses Manuskript noch einmal vor: Im Auftrag des sehr an Kunst und Wissenschaft interessierten Kaisers Rudolf II. fügte der niederländische Miniaturenmaler Joris Hoefnagel “Illuminationen” zu den einzelnen Seiten hinzu. Offenbar hatte ihm der Kaiser freie Hand bei der Wahl seiner Motive gelassen, denn das wilde Sammelsurium von Blüten, Früchten, Gemüsesorten, Muscheln, Schmetterlingen, Mäusen etc. unter den Schriften erstaunt und belustigt uns noch heute. Zudem verlieh Hoefnagel vielen der Objekte eine 3D- Illusion, indem er ihre Schatten auf dem Blatt abbildete und die Stängel von Pflanzen das Blatt anscheinend durchbohren ließ.
Seit 1986 ist das wahrhaft einmalige Manuskript im Besitz des J. Paul Getty Museums, Los Angeles.
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