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Leonhart Fuchs (1501–1566)

Die Kräuterbücher

Leon­hart Fuchs ver­fasst mehr als 50 Bücher und Streit­schrif­ten. Bereits sein Erst­lings­werk “Erra­ta recen­tiorum med­icorum” auf Deutsch etwa: “Irr­tü­mer unse­rer Ärz­te”, das er mit 29 Jah­ren ver­öf­fent­licht, weist ihn als streit­ba­ren Autor aus.

Aber sei­ne bis heu­te rei­chen­de Bedeu­tung ver­dankt er sei­nem Kräu­ter­buch, das in meh­re­ren Aus­ga­ben erscheint:

  • De His­to­ria Stir­pi­um com­men­ta­rii insi­gnes, Ising­rin, Basel 1542
    das “Ur-Käu­ter­buch” in Latein
  • New Kre­üt­ter­bůch, Ising­rin, Basel 1543
    in Deutsch mit gekürz­tem Text

Sämt­li­che Holz­schnit­te wur­den für die klei­ne­ren Aus­ga­ben neu geschnit­ten.

  • Pri­mi de stir­pi­um his­to­ria com­men­ta­riorum, Basel 1545
    rei­ner Bild­band im klei­ne­ren For­mat, Ein­füh­rung in Latein
  • Laͤbliche abbil­dung und con­tra­fay­tung aller kre­ü­ter, Basel 1545
    wie Pri­mi de stir­pi­um, Ein­füh­rungs­text in Deutsch
  • Com­men­tai­res tres excel­lens de l’hys­toire des plan­tes, Paris 1548
    Fran­zö­si­sche Aus­ga­be, der Autor wird “Leonarth Fousch” genannt
  • His­to­ria de Yer­vas, y Plan­tas, con los Nom­bres Grie­gos, Ant­wer­pen 1557.
    Spa­ni­sche Aus­ga­be, die Inqui­si­ti­on ver­bot, den Autor und den Über­set­zer Juan de Jara­va zu nen­nen.
  • Zahl­rei­che wei­te­re Aus­ga­ben.

Fuchs stammt aus Wem­ding im Nörd­lin­ger Ries. Er stu­diert Phi­lo­so­phie und Medi­zin und erhält 1535 eine Medi­zin­pro­fes­sur an der 1477 gegrün­de­ten Uni Tübin­gen. Aber nicht nur als Wis­sen­schaft­ler und Dozent soll er wir­ken, son­dern auch hel­fen, den refor­mier­ten Glau­ben an der Uni­ver­si­tät zu ver­an­kern. Würt­tem­berg war 1534 evan­ge­lisch gewor­den, da kam Fuchs als über­zeug­ter Anhän­ger Luthers gera­de recht. Und der enga­giert sich: Sie­ben Mal ist er Uni-Rek­tor, 31 Jah­re lang Pro­fes­sor. Aber er ist auch fort­schritt­lich: Er führt bota­ni­sche Exkur­sio­nen mit sei­nen Stu­den­ten durch und legt an sei­nem heu­te noch erhal­te­nen Haus in Tübin­gen einen Arz­nei­pflan­zen­gar­ten an, einen der ältes­ten der Welt über­haupt.

Fuchs ist nun ein weit bekann­ter Wis­sen­schaft­ler, 1537 lehnt er einen Ruf König Chris­ti­ans III. an die neu zu grün­den­de Uni­ver­si­tät in Kopen­ha­gen ab und 1542 wider­steht er gar der Ein­la­dung von Her­zog Cosi­mo de Medi­ci, in Pisa einen bota­ni­schen Gar­ten zu errich­te­ten. Doch er arbei­tet bereits an einem Buch, das ihn berühmt wer­den lässt: 1542 erscheint — nach mehr als zehn Jah­ren Vor­ar­beit — in latei­ni­scher Spra­che das Kräu­ter­buch De His­to­ria Stir­pi­um com­men­ta­rii insi­gnes (Bemer­kens­wer­te Kom­men­ta­re zur Geschich­te der Pflan­zen). 500 Pflan­zen wer­den dar­in auf Holz­schnit­ten dar­ge­stellt und ihre medi­zi­ni­sche Wir­kung detail­liert beschrie­ben. 100 die­ser Pflan­zen sind Erst­be­schrei­bun­gen von gera­de erst ent­deck­ten Pflan­zen wie Tabak, Mais, Feu­er­boh­nen und Kak­teen. Gedruckt wird bei Micha­el Ising­rin in Basel.

Der latei­ni­sche Text rich­tet sich an ein aka­de­mi­sches Publi­kum, ins­be­son­de­re an Ärz­te. Die Holz­schnit­te von Veit Rudolf Speck­le (Speck­lin), den er im Vor­wort als den „bei wei­tem bes­te Straß­bur­ger Holz­schnei­der” rühmt, gehen auf Vor­zeich­nun­gen von Hein­rich Füll­mau­rer und Albrecht Mey­er zurück. Alle drei sind am Ende des Buches selbst dar­ge­stellt — eine Beson­der­heit und ein Zei­chen, dass sich Fuchs der Bedeu­tung der Künst­ler und damit der Abbil­dun­gen sehr bewusst ist. Und es sind gera­de die­se Abbil­dun­gen, die den Ruf des Buches begrün­de­ten. Fuchs misst der Illus­tra­ti­on gro­ße Bedeu­tung bei und über­wach­te die Erstel­lung der Pflan­zen­ab­bil­dun­gen per­sön­lich. Vor­la­gen für die Holz­schnit­te sind meist fri­sche Pflan­zen, die er in der Umge­bung von Tübin­gen gesam­melt oder im Haus­gar­ten gezo­gen hat. Das war neu und das sieht man den Abbil­dun­gen an: Wäh­rend des Mit­tel­al­ters bis zum Beginn der Neu­zeit war die Dar­stel­lung von Heil­pflan­zen sym­bol­haft sti­li­siert, oft sym­me­trisch und mit Attri­bu­ten ver­se­hen, die sich auf die Wir­kung bezo­gen.

Lan­ge kam kein Bild der gif­ti­gen und als Schlaf­mit­tel und Aphro­di­sia­kum ver­wen­de­ten Alrau­ne ohne Pfahl­wur­zeln in weib­li­cher und männ­li­cher Men­schen­form aus. Bei Fuchs ist es nun eine rüben­för­mi­ge Wur­zel, wohl als klei­nes Zuge­ständ­nis an die über­lie­fer­ten Dar­stel­lun­gen mit zwei bein­ar­ti­gen Ver­zwei­gun­gen.

Das Buch mehrt Fuchs’ Ruhm als Wis­sen­schaft­ler, beson­ders gut ver­kauft wird es aber nicht. Dafür gibt es meh­re­re Grün­de: Das Buch ist mit etwa 38 cm x 25 cm enorm groß und unhand­lich, hat einen sehr hohen Preis — “nicht weni­ger als 15 Gul­den”, schreibt Fuchs in einem Brief, bei einem Wert von 100 bis 200 € für einen Gul­den des 16. Jahr­hun­derts, bedeu­tet das einen Preis von 1500 bis 3000 € — und zudem ist der Text in Latein.

Zumin­dest letz­te­res ändert sich bereits ein Jahr spä­ter: 1543 erscheint das Buch mit gekürz­ten Tex­ten, sechs wei­te­ren Holz­schnit­ten und in deutsch unter dem Titel New Kre­ü­ter­buch. Offen­bar war Fuchs vom Ver­le­ger Ising­rin dazu gedrängt wor­den, denn die Bil­der, gestal­tet von drei nam­haf­ten Künst­lern, hat­ten sehr hohe Kos­ten ver­ur­sacht. Übri­gens: “new” bedeu­tet im Mit­tel­hoch­deut­schen bzw. frü­hen Neu­hoch­deut­schen “neu” und wird auch so aus­ge­spro­chen.

Auch die­se Ver­si­on des Kräu­ter­buchs wird erst dann ein Erfolg, als es mit ver­klei­ner­ten Dar­stel­lun­gen erscheint, bereits 1545 in Deutsch als “Läb­li­che abbil­dung und con­tra­fay­hung aller kre­ü­ter …” und in Latein. Die­sen kos­ten­güns­ti­ge­ren Ver­sio­nen ist die wei­te Ver­brei­tung und Beliebt­heit des Pflan­zen­buchs zu ver­dan­ken, zu Leb­zei­ten von Fuchs erschei­nen 39 Auf­la­gen auf Nie­der­län­disch, Fran­zö­sisch, Deutsch, Latein und Spa­nisch und selbst 20 Jah­re nach sei­nem Tod wird es ins Eng­li­sche über­setzt.

Fuchs ist nun offen­bar in einem wah­ren Schaf­fens­rausch, er möch­te sei­ne Posi­ti­on als wich­tigs­ter Bota­ni­ker sei­ner Zeit unbe­dingt behaup­ten. Am wenigs­ten lei­den mag er den Ita­lie­ner Pie­tro Andrea Mat­tio­li, der wie er Arzt und Bota­ni­ker ist, aber zudem Leib­arzt des Erz­her­zogs Fer­di­nand II. und des Kai­sers Maxi­mi­li­an II. und damit — im Gegen­satz zu Fuchs — finan­zi­ell sor­gen­frei. In einem Brief schreibt Fuchs “Zwei­fel­los wird die­ser über­heb­li­che Ita­lie­ner, auf­ge­bla­sen vor Hoch­mut, bemer­ken, dass es in Deutsch­land Män­ner gibt, die sei­ne Tor­hei­ten erkannt und ihn in sei­nen wah­ren Far­ben dar­ge­stellt haben.”

Bereits 1544 arbei­tet er an einem weit umfang­rei­che­ren Werk. Ursprüng­lich als zwei­ter Band des Kräu­ter­buchs geplant, hat es sich bis zum Jahr 1563 zu drei mäch­ti­gen Bän­den mit über 1500 Holz­schnit­ten ent­wi­ckelt. Und die möch­te er jetzt ver­öf­fent­li­chen las­sen. Doch die Bedin­gun­gen haben sich geän­dert: Ver­le­ger Micha­el Ising­rin ist 1557 gestor­ben und sei­ne Wit­we wei­gert sich, das umfang­rei­che Werk zu dru­cken, gan­ze 3000 Gul­den sind dafür ver­an­schlagt.

Die weit­ge­hend fer­tig­ge­stell­ten Druck­stö­cke mit den Abbil­dun­gen will sie an einen ande­ren Dru­cker ver­kau­fen. Fuchs beschwert sich 1564 in einem Brief: “Vor zwei Jah­ren wur­de eine Ver­ein­ba­rung zwi­schen mir und der Wit­we von Micha­el Ising­rin getrof­fen, über deren Bestä­ti­gung ich ein schrift­li­ches Doku­ment besit­ze. Doch so groß ist der Ver­rat der Men­schen, dass sie nun scham­los von ihrem Ver­spre­chen zurück­tritt. Sie beab­sich­tigt, die Tafeln zu einem ange­mes­se­nen Preis an einen ande­ren Dru­cker zu ver­kau­fen, dem die Ver­öf­fent­li­chung die­ses Wer­kes gefal­len könn­te. Bis­her ist mir jedoch nie­mand genannt wor­den.”

Und in einem wei­te­ren Brief, ein Jahr vor sei­nem Tod, schil­dert er sei­ne ver­geb­li­chen Bemü­hun­gen um Ver­öf­fent­li­chung: „Da nun außer den erheb­li­chen Aus­ga­ben, die ich bis­her getä­tigt habe, kein Dru­cker bereit oder in der Lage ist, die beträcht­li­chen Kos­ten zu tra­gen, die die Ver­öf­fent­li­chung die­ses Wer­kes erfor­dert – näm­lich drei­tau­send Gul­den –, und ich, wie du weißt, ohne gro­ßen Ver­lust für mei­ne Kin­der nicht in der Lage bin, so viel Geld auf­zu­brin­gen, bin ich gezwun­gen, den Plan zu fas­sen, die höchs­ten Fürs­ten und kai­ser­li­chen Städ­te durch Brie­fe um Unter­stüt­zung zu bit­ten. Durch ihre Groß­zü­gig­keit hof­fe ich, eine aus­rei­chen­de Sum­me zu erhal­ten, um zumin­dest teil­wei­se dem Dru­cker zu hel­fen, damit die­ses Werk schließ­lich der Öffent­lich­keit zugäng­lich gemacht wird.“

Ohne für sein gro­ßes Werk einen Ver­lag gefun­den zu haben, stirbt Fuchs am 10. Mai 1566. Das umfang­rei­che Buch­ma­nu­skript — 1541 Abbil­dun­gen und 1319 Sei­ten Text — gelangt an sei­nen Sohn Fried­rich, der Stadt­arzt in Ulm war. Nach meh­re­ren Besit­zer­wech­seln ist es ab 1782 in der kai­ser­li­chen Hof­bi­blio­thek in Wien, heu­te in der Öster­rei­chi­schen Natio­nal­bi­blio­thek.

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